Seeufer im Wald mit Booten
(c) Sabrina Solch/Unsplash

Das «wohltuende Schweigen»

Schweigen, weil es der Seele guttut.
 
Publiziert: 18.10.2021 20.10.2021

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Marnie Hux-Ebermann im Interview mit Annkatrin Isaacs

Es läuft so einiges im Leben einer Konzertpianistin, Mutter und Ehefrau. Nur schon ein Zeitfenster zu finden für ein kleines Interview ist herausfordernd und regelmässige Auszeiten in einem so «reichhaltigen» Leben umso wichtiger. Annkatrin Isaacs entscheidet sich bewusst regelmässig für Rückzug, Ruhe und das Schweigen, um der Seele Raum und Zeit mit Gott zu geben.

Schweigen, um dem Lärm der Welt zu entfliehen. Schweigen, um abzuschalten und das Innere zu hören. Was bringt Sie zum Rückzug in die Stille?

In den 20er- und 30er-Jahren seines Lebens ist man meist sehr aktiv und beschäftigt damit, sich an das äussere Leben anzupassen und seine Zukunft aufzubauen. Erst später fangen wir an, die bisher gelebten Muster und Rollen zu reflektieren. Ungereimtheiten melden sich irgendwann mit einer gewissen Dringlichkeit, und wir werden eingeladen, uns wieder unserer inneren Welt anzupassen. Mir ist es in den letzten Jahren zu einem Bedürfnis geworden, in der stets wachsenden Umtriebigkeit des Lebens zur Ruhe zu finden. Als Musikerin geniesse ich es, dass ich beim Klavier spielen nicht reden muss, sondern schweigend zuhöre. Man hört und tönt zugleich.

Und trotzdem besteht da dieses Bedürfnis nach ganzheitlicher Ruhe, nach dem Hören ohne zu tönen?

Ich bin regelmässig erholungsbedürftig vom äusseren Lärm. Meine Ohren sind zu voll. Ebenso mein Kopf mit all den Gedanken und die Seele mit allem Erlebten. Dann zieht mich die Ruhe und das Schweigen-Dürfen sehr an. Beim Schweigen findet der Unterbau meiner Seele Beachtung. Der Teil geht sonst in der Geschäftigkeit des Alltags einfach unter; mit dem Resultat, dass er sich irgendwann lautstark meldet. In Grautönen, müde und erschöpft. Ich merke, es ist gar nicht so einfach, über das Schweigen zu reden, «geschweige denn» darüber, was dabei tief im Innern passiert. Es ist, als wäre meine Seele eine Pflanze, die in dieser Ruhe in der Gegenwart von Gott wachsen, reifen und gedeihen kann. Ohne mein Zutun. Dem setze ich mich zu Hause auf meinem Sofa aus, aber auch in der wohltuenden Ruhe im Kloster. Wenn immer es mir möglich ist, besuche ich dieses zwei bis drei Mal im Jahr.

Was hat es auf sich mit der Ruhe im Kloster, warum fällt uns an Orten der Stille das Schweigen leichter?

Im Kloster ist schon eine Stille vorhanden. Mein inneres Schweigen und das Schweigen des Klosters kommen zusammen. Meine eigene Stille kommuniziert mit der Stille dort. Die Seele wird genährt, denn das Schweigen hier ist sättigend und hat einen schönen Geschmack. Für einen Rückzug in ein Kloster braucht man keine katholische Religion oder entsprechende Erfahrung. Ich selbst habe einen lutherischen Hintergrund, und es war selten ruhig in meiner aktiven, umtriebigen Familie. Ich glaube, es braucht grundsätzlich keine «Vorkenntnisse», um sich in einem Kloster der Stille und des Schweigens hinzugeben.

Ist es so, dass Stille und Schweigen im Kloster  nicht zu verwechseln sind mit «Nichtstun»?

Ein Teil des Zur-Ruhe-Kommens hat sogar damit zu tun, «etwas zu tun» und sich auf feste Abläufe im Kloster einzulassen. Die Regelmässigkeit und die festen Gebets- und Essenszeiten dienen dazu, zur Ruhe zu kommen.

Der Tagesablauf in einem Kloster hat einen festen Stundenplan. Um 8 Uhr morgens trifft man sich zur Gebetszeit. Liturgien, Psalmen und wiederkehrende Gebete leiten in die Stille ein, in der man anschliessend verweilt, Gott sucht und auf innere Empfindungen achtet. Anschliessend gibt es Frühstück, schweigend. Um 11 Uhr ist bereits die nächste Gebetszeit, gefolgt von einem Mittagessen, bei dem die Vorspeise auch schweigend eingenommen wird. Weitere Gebetszeiten folgen um 15, 18 und 20.30 Uhr, jeweils mit Kaffeetrinken und Abendessen dazwischen. Als Gast muss man nicht alle Gebetszeiten einhalten. Zwischendurch kann man Spazierengehen oder einfach Zeit in einer anderen Kapelle verbringen. An speziellen Tagen finden in dieser lange Anbetungs-, Rückzugs- und Gebetszeiten in der Stille statt. Es läuft also recht viel, aber immer in Ruhe. Man trifft auch andere Menschen im Kloster, das als Haus der Stille deklariert ist. Man kann mit anderen reden, muss sich aber nie dazu verpflichtet fühlen.

Was passiert mit dem Herzen in dieser Stille?

Es braucht fast ein wenig Mut, sich dem Chaos und der Unruhe zu stellen. Gedanken tauchen auf, Gefühle und Bilder. Den ganzen Tag. Man merkt erst, wieviel los ist im Leben, im Kopf und in der Seele, wenn diese mal zur Ruhe kommt. Nach mancher Zeit im Kloster komme ich erholt und innerlich aufgeräumt wieder, manchmal nicht. Die Ganzheit der Seele entwickelt sich langsam. So eine Auszeit ist keine Instant-Lösung für alle Lebensfragen und -situationen. Ich bin auch schon mit denselben Fragen wieder zurückgekommen, mit denen ich gegangen bin. Aber das macht nichts, so lernt man die Fragen zu leben, anstatt sie zu beantworten. Ich empfinde es jedoch jedes Mal als eine Wohltat, meiner Seele Raum und Zeit zu geben im Sein vor Gott. Und es gibt jedes Mal heilsame Momente, in denen sich innere Bilder und Gefühle ändern dürfen und meine Seele zur Ruhe kommt. Die Schwestern im Kloster sind sehr achtsam, und die Atmosphäre ist ehrend und fein. Bei den schweigend eingenommenen Mahlzeiten kommuniziert man durch Augenkontakt und Körpersprache. Es ist sicher etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus auch spannend. Das Essen schmeckt intensiver und man nimmt alles anders wahr. Die Sinne sind wacher und offener.

Und irgendwann geht es aus der Stille wieder zurück in den Alltag. Wie empfinden Sie diesen Übergang?

Aus der Stille zurück in die Welt – das Antreten der Rückreise und Betreten des Busses tut mir oft richtiggehend weh. Nach dem Rückzug in die Stille empfindet man die Welt zuerst wieder als laut und grob. Die Sinne sind sensibilisiert und feingestimmt. Um einen herum quietscht, stürmt und stresst das Leben. Um die Sensoren fein zu halten, suche ich auch nach Ruhe- und Auszeiten im Alltag. Die Seele ist etwas Wun derbares. Gott hat unsere Seele geschaffen und ein Ansinnen, dass sie wächst und reift, so wie er sie gedacht hat. Sie braucht Beachtung und Raum. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sein Inneres grünen zu lassen. Die einen finden Ruhe in der Stille der Klostermauern, andere finden sie in der Natur, in der Kunst, in der Musik und vielleicht sogar im Alltag. Momente des Innehaltens suche ich auch in meinem Alltag. Um solche Momente auch daheim zu finden, schliesse ich täglich zwischendurch die Türen, mache eine der schönen Klosterkerzen an, spreche eines der Gebete und versuche dann zu schweigen. Nur schon das Eintauchen in dieses Thema war für mich wie eine kleine Auszeit. Und während ich noch über das Schweigen sinniere, bin ich schon wieder auf dem Weg zur nächsten Probe für ein Bühnenstück am Theater Winterthur.

 

Zur Person

Annkatrin Isaacs arbeitet als freischaffende Korrepetitorin eng mit der Zürcher Sing-Akademie und dem Musikkollegium Winterthur sowie mit unterschiedlichsten Solisten und Chören zusammen. Ihr Herz schlägt für Gott, ihren Mann, ihre Tochter und die Musik.

© Online-Redaktion ERF Medien
 
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