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Weihnachtsgeschichte mit Josef, der Zimmermann | (c) unsplash, Jeremy Mura
Weihnachtsgeschichte mit Josef, der Zimmermann | (c) unsplash, Jeremy Mura

Weihnachtsgeschichte mit Josef

Josef – leben im Schatten einer starken Frau und eines grossen Sohnes. Eine Weihnachtsgeschichte.
 
Publiziert: 24.12.2015 | Autor Wolfgang Steinseifer

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Josef - Leben im Schatten einer starken Frau und eines grossen Sohnes. Darin werden die Ereignisse rund um Weihnachten einmal aus der Perspektive von Josef, dem Mann im Hintergrund, geschildert.

 

Nein, so hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Nicht, dass ich unzufrieden wäre – aber es ist eben alles anders gekommen, als ich mir das als Junge erträumt habe. Doch ich will am Anfang beginnen …

Ich heisse Josef. Geboren bin ich in Bethlehem. Meine Eltern waren stolz darauf, ihren Stammbaum zu unserem grossen König David zurückverfolgen zu können. Sie liessen mich einen guten Beruf lernen, und so wurde ich Bauhandwerker. Das Leben in der Nähe der Hauptstadt Jerusalem war allerdings kein reines Vergnügen. Wir waren ein von den Römern besetztes Land, und die Herren aus dem fernen Westen liessen uns spüren, wer das Sagen hatte. Wie den letzten Dreck behandelten sie uns. Kein Wunder, dass es immer wieder Aufstände gab, die allerdings alle blutig niedergeschlagen wurden. Als sich die Gelegenheit ergab, zog ich, wie so viele meiner Handwerkerkollegen aus Bethlehem, in die Provinz, um dort meinen Beruf auszuüben. Ich landete in Nazareth, einem Nest in Galiläa.

Dort lernte ich Maria kennen, ein junges Mädchen aus gutem Hause. Sie machte mir mächtig Eindruck. Sie war noch blutjung, aber eine starke Persönlichkeit und im besten Sinne des Wortes fromm.

Sie strahlte eine Liebe und Güte aus, wie sie nur eine enge Beziehung zu Gott schenken kann.

Es war meine glücklichste Stunde, als ihre Eltern sie mir als Frau versprachen. Wir waren also verlobt. Ich arbeitete mit neuem Schwung, um uns beiden ein sicheres Nest zu bauen. Doch dann geschahen Dinge, die meine heile Welt zusammenkrachen liessen und mich schier um den Verstand brachten.

Eines Tages verschwand meine Verlobte von heute auf morgen. Sie sei bei Verwandten, hiess es. Drei Monate lang bekam ich sie nicht zu Gesicht. Dann kommt sie zurück – und ist schwanger. Schwanger!! Von wem? Eines weiss ich  hundertprozentig: von mir nicht! Also hat sie mich betrogen. Wer ist der Vater? Maria faselt etwas von Gott … na klar, irgendwie steckt Gott hinter jeder Schwangerschaft und Geburt. Aber da muss ja wohl auch noch irgendein allzu  menschlicher Erzeuger …

Ich war am Boden zerstört. Enttäuscht, verwirrt, ratlos. Und dabei liebte ich meine Maria immer noch. Ach, Maria, was soll ich nur machen?!? Ich hätte Maria verklagen können, schliesslich war sie als meine Verlobte rein juristisch gesehen so was wie mein Eigentum. Eine Anzeige, ein kurzer Prozess, dann hätte man sie als Ehebrecherin gesteinigt. Ich hätte die Verlobung auflösen können – dann wäre Maria als ledige Mutter lebenslänglich gezeichnet gewesen. «Du Hure!», hätte man ihr hinterhergerufen. Nein, das konnte ich ihr nicht antun, trotz allem. Ich liebte sie doch! Immer noch! Ich entschloss mich, sie heimlich zu verlassen. Damit wäre ich für die Leute in Nazareth der Schuft gewesen. «Hätten wir diesem Josef gar nicht zugetraut! So ein Schwein! Erst macht er dem armen Mädchen einen dicken Bauch, und dann verduftet er bei Nacht und Nebel. Das arme Ding!»

Ich hatte schon meine Sachen gepackt – da passiert schon wieder etwas Unglaubliches: Mitten in der Nacht spricht Gott zu mir. Und er macht mir unmissverständlich klar, dass Maria mir die Wahrheit gesagt hat und dass ich sie nicht verlassen, sondern heiraten soll. Fragen Sie mich nicht, woher ich weiss, dass es Gott war, der da zu mir redete. Ich weiss es einfach, und ich bin ein bodenständiger Handwerker und kein Träumer. Ich begreife bis heute nicht, was da mit Maria geschehen  ist. Aber ich vertraue darauf, dass Gott mich nicht belogen hat. Kurz und gut – ich heirate meine schwangere Verlobte, und es stört mich nicht – nun ja, fast nicht –, dass hinter unserem Rücken getuschelt wird: «Na, die haben wohl auch nicht  warten können!» Hauptsache, das Kind hat einen Vater und damit sogar hoch offiziell einen Stammbaum, der bis zu David reicht.

Nun warten wir auf die Geburt unseres Kindes, da gerät unsere häusliche Idylle erneut aus den Fugen. Der «Erleuchtete» in Rom will die Steuerschraube anziehen und gibt die Order aus, jeder Untertan habe sich in eine Steuerliste einzutragen.  Und zwar an seinem Geburtsort. Es gibt ein Riesengemotze im ganzen Land, aber schliesslich ist die halbe Welt unterwegs, darunter ich selbst in Begleitung meiner hochschwangeren Maria. Es bricht mir fast das Herz, ihr die weite und  beschwerliche  Reise von Nazareth ganz im Norden nach Bethlehem in Judäa zuzumuten.

Und dann ein weiterer Tiefschlag – wir kommen in Bethlehem an und finden keine Unterkunft. Alles überlaufen! Es lebe der Kaiser in Rom mit seinen Schnapsideen! Wir hatten uns darauf verlassen, bei Verwandten unterzukommen. Aber die sind schon alle bis unters Dach ausgebucht. Ausgerechnet jetzt setzen die Wehen ein … Ich glaube, so geschwitzt habe ich noch nie im Leben, von meiner armen Maria ganz zu schweigen.

Gott sei Dank bietet man uns in irgendeinem Haus noch einen Platz bei den Haustieren an! Wenigstens kann Maria dort ohne neugierige Zuschauer ihr – unser – Kind zur Welt bringen. Ein Junge! Wir nennen ihn Jesus. Der Futtertrog wird mit Stroh ausgelegt und zum Kinderbett umfunktioniert.

Kaum ist nach der Geburt Ruhe eingekehrt, ein Riesengejohle und Gepoltere! Ich muss gestehen, zuerst hab ich einen Riesenschrecken bekommen, als da plötzlich so ein paar wilde Gestalten – Schafhirten – bei uns auftauchten und sich um  unseren Kleinen drängten.

Aber als sie dann erzählten, was sie auf dem Feld erlebt hatten und dass Engel ihnen gesagt hätten, hier bei uns in der Futterkrippe würden sie den «Heiland» vorfinden, den Retter der Welt – da passten auf einmal für mich einige Puzzleteile zusammen, und ich fing an zu begreifen, dass ich mit meiner Familie Teil eines grossen göttlichen Plans war.

Wir blieben dann noch eine Weile in Bethlehem und bekamen noch mehr Besuch, hohen Besuch von vornehmen Leuten, deren Sprache ich nicht verstand. Auch sie waren durch göttliche Zeichen zu uns – nein, zu unserem Sohn – geleitet  worden. Leider lenken sie die Aufmerksamkeit unseres judäischen Königs Herodes – «Marionettenkönig von Roms Gnaden» nannten wir ihn immer – auf unseren Sohn. In seiner Paranoia hält er ihn für eine Gefahr für seine Herrschaft und  bereitet eine blutige „Säuberung“ vor.

Wieder spricht Gott direkt zu mir. Bei Nacht und Nebel fliehen wir nach Ägypten und beantragen Asyl. Glücklicherweise hat man dort ein liberales  Asylgesetz. Nicht auszudenken, was mit uns und unserem Sohn passiert wäre, wenn man uns in unser Ursprungsland ausgeschafft hätte! Erst als wir erfahren, dass Herodes gestorben ist, kehren wir in die Heimat zurück – nicht nach Bethlehem, sondern nach Nazareth, wo ich wieder meinem Beruf nachgehe.

Ja, und damit ist meine Geschichte schon erzählt. Ich arbeite in meinem Handwerksbetrieb und ernähre meine wachsende Familie. Meine Frau Maria kommt später ganz gross heraus. Ich mag‘s ihr gönnen. Sie ist wirklich eine ganz  aussergewöhnliche Frau, und ich liebe sie wie am ersten Tag. Mein Sohn Jesus arbeitet zuerst im meinem Betrieb mit. Dann, mit etwa dreissig Jahren, zieht es ihn hinaus. Er ist ein begnadeter Prediger und schart die Menschen um sich. Ich begreife ihn nie ganz. In vielem bleibt er mir ein Rätsel. Ich selbst bin ein Mann, von dem man immer nur als «Mann von» und «Vater von» spricht.

Ein Leben lang stehe ich im Schatten meiner starken Frau und meines alles überragenden Sohnes. Aber ich bin zufrieden. Wenn das die Rolle ist, die Gott mir zugeteilt hat, will ich sie gerne spielen …

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