Es war meine glücklichste Stunde, als ihre Eltern sie mir als Frau versprachen. Wir waren also verlobt. Ich arbeitete mit neuem Schwung, um uns beiden ein sicheres Nest zu bauen. Doch dann geschahen Dinge, die meine heile Welt zusammenkrachen liessen und mich schier um den Verstand brachten.
Eines Tages verschwand meine Verlobte von heute auf morgen. Sie sei bei Verwandten, hiess es. Drei Monate lang bekam ich sie nicht zu Gesicht. Dann kommt sie zurück – und ist schwanger. Schwanger!! Von wem? Eines weiss ich hundertprozentig: von mir nicht! Also hat sie mich betrogen. Wer ist der Vater? Maria faselt etwas von Gott … na klar, irgendwie steckt Gott hinter jeder Schwangerschaft und Geburt. Aber da muss ja wohl auch noch irgendein allzu menschlicher Erzeuger …
Ich war am Boden zerstört. Enttäuscht, verwirrt, ratlos. Und dabei liebte ich meine Maria immer noch. Ach, Maria, was soll ich nur machen?!? Ich hätte Maria verklagen können, schliesslich war sie als meine Verlobte rein juristisch gesehen so was wie mein Eigentum. Eine Anzeige, ein kurzer Prozess, dann hätte man sie als Ehebrecherin gesteinigt. Ich hätte die Verlobung auflösen können – dann wäre Maria als ledige Mutter lebenslänglich gezeichnet gewesen. «Du Hure!», hätte man ihr hinterhergerufen. Nein, das konnte ich ihr nicht antun, trotz allem. Ich liebte sie doch! Immer noch! Ich entschloss mich, sie heimlich zu verlassen. Damit wäre ich für die Leute in Nazareth der Schuft gewesen. «Hätten wir diesem Josef gar nicht zugetraut! So ein Schwein! Erst macht er dem armen Mädchen einen dicken Bauch, und dann verduftet er bei Nacht und Nebel. Das arme Ding!»
Ich hatte schon meine Sachen gepackt – da passiert schon wieder etwas Unglaubliches: Mitten in der Nacht spricht Gott zu mir. Und er macht mir unmissverständlich klar, dass Maria mir die Wahrheit gesagt hat und dass ich sie nicht verlassen, sondern heiraten soll. Fragen Sie mich nicht, woher ich weiss, dass es Gott war, der da zu mir redete. Ich weiss es einfach, und ich bin ein bodenständiger Handwerker und kein Träumer. Ich begreife bis heute nicht, was da mit Maria geschehen ist. Aber ich vertraue darauf, dass Gott mich nicht belogen hat. Kurz und gut – ich heirate meine schwangere Verlobte, und es stört mich nicht – nun ja, fast nicht –, dass hinter unserem Rücken getuschelt wird: «Na, die haben wohl auch nicht warten können!» Hauptsache, das Kind hat einen Vater und damit sogar hoch offiziell einen Stammbaum, der bis zu David reicht.
Nun warten wir auf die Geburt unseres Kindes, da gerät unsere häusliche Idylle erneut aus den Fugen. Der «Erleuchtete» in Rom will die Steuerschraube anziehen und gibt die Order aus, jeder Untertan habe sich in eine Steuerliste einzutragen. Und zwar an seinem Geburtsort. Es gibt ein Riesengemotze im ganzen Land, aber schliesslich ist die halbe Welt unterwegs, darunter ich selbst in Begleitung meiner hochschwangeren Maria. Es bricht mir fast das Herz, ihr die weite und beschwerliche Reise von Nazareth ganz im Norden nach Bethlehem in Judäa zuzumuten.
Und dann ein weiterer Tiefschlag – wir kommen in Bethlehem an und finden keine Unterkunft. Alles überlaufen! Es lebe der Kaiser in Rom mit seinen Schnapsideen! Wir hatten uns darauf verlassen, bei Verwandten unterzukommen. Aber die sind schon alle bis unters Dach ausgebucht. Ausgerechnet jetzt setzen die Wehen ein … Ich glaube, so geschwitzt habe ich noch nie im Leben, von meiner armen Maria ganz zu schweigen.
Gott sei Dank bietet man uns in irgendeinem Haus noch einen Platz bei den Haustieren an! Wenigstens kann Maria dort ohne neugierige Zuschauer ihr – unser – Kind zur Welt bringen. Ein Junge! Wir nennen ihn Jesus. Der Futtertrog wird mit Stroh ausgelegt und zum Kinderbett umfunktioniert.
Kaum ist nach der Geburt Ruhe eingekehrt, ein Riesengejohle und Gepoltere! Ich muss gestehen, zuerst hab ich einen Riesenschrecken bekommen, als da plötzlich so ein paar wilde Gestalten – Schafhirten – bei uns auftauchten und sich um unseren Kleinen drängten.