Von Mathias Fontana
Fremdes ist aus der Ferne meist spannend und geheimnisvoll. Auf Ferienreisen sind wir fasziniert von fremden Tempeln, speziellen Bräuchen und eigenartigen Gewohnheiten. Sobald aber Fremdes hier bei uns ist, macht es oft Angst. Besonders wenn Menschen aus fremden Kulturen und Religionen zu uns kommen und so plötzlich unsere eigene Lebenswelt prägen. Aber Gott weiss um diese Ängste und macht uns Mut, diese abzubauen. Und es gibt konkrete Möglichkeiten, die Angst vor Fremden anzugehen. Denn Fremdes ist nicht nur negativ, es ist auch farbig, bereichernd und lässt uns sogar wachsen.
Glaubt man den Stimmen in den sozialen Medien der letzten Monate, erhält man fast den Eindruck, dass die Schweiz von Menschen aus dem Ausland überrannt wird. Die Flüchtlingskrise und die Zuwanderung nach Europa sind omnipräsente Themen, auch in den Medien. Menschen aus Syrien, dem Iran, Afghanistan, aus Eritrea oder anderen afrikanischen Staaten sind bei uns angekommen. Sie sind auf der Suche nach Arbeit und Einkommen, möchten gerne Sicherheit und Frieden und eine bessere Bildung für ihre Kinder.
Und alle bringen sie ihre eigene Kultur und Religion mit. Dies wird plötzlich sicht- und spürbar in unserem Alltag. Es begegnen uns beim Einkaufen halb oder ganz verschleierte Frauen. Ein Imam segnet bei der Eröffnung den Gotthard- Basistunnel. Im neuen Quartierladen gibt es mehr Produkte aus der Türkei oder aus Thailand als aus der Schweiz. Das finden wir in den Ferien alles sehr spannend, geheimnisvoll und faszinierend. Während ein, zwei Wochen eine fremde Kultur und fremde Menschen auf uns einwirken lassen, kann uns bereichern. Aber dann kehrt man gerne wieder nach Hause zurück zum Vertrauten, zum Normalen. Doch die fremden Menschen und ihre «Mitbringsel» hier bei uns lösen Angst aus. Angst vor Überfremdung, Angst um Arbeitsplätze, Angst um die Bildung unserer Kinder, Angst um unsere christlichen Werte.
Gründe für diese Ängste gibt es mehrere. Zwar sind sich Experten nicht ganz einig, ob sie angeboren oder antrainiert sind. Klar ist aber, dass sie ein normaler Reflex sind, der uns eigentlich schützen soll. Die Ankunft von fremden Menschen bei uns löst Unsicherheit aus, weil wir nicht genau abschätzen können, wie sie unsere Situation verändern und wir uns dadurch selber ebenfalls verändern müssen. «Wir fürchten im Fremden das Fremde in uns selbst, das uns Konflikte beschert und uns zur Entwicklung herausfordern würde.» sagt Verena Kast, Psychotherapeutin und Präsidentin des C. G. Jung-Instituts Zürich. Dies würde einen zeitweiligen Kontrollverlust bedeuten – der Mensch versucht unbewusst sich davor mit Angst zu schützen. Es ist also einfacher für uns, Angst zu haben, als unsere Angst abzubauen, dadurch aber vielleicht unser Denken und Handeln zu verändern.
Nicht nur die Angst, sich verändern zu müssen, spielt in unseren Gefühlen gegenüber Fremden mit. Auch die Angst, dass sie uns etwas wegnehmen könnten, dass wir zu kurz kommen könnten und unseren Wohlstand mit ihnen teilen müssten, spielt eine grosse Rolle. Bei Kindern sieht und spürt man diese Angst oft ungefiltert: Schaufel und Eimer werden im Sandkasten lieber verteidigt, als mit den Nachbarskindern geteilt. Erwachsene sind etwas zurückhaltender – aber trotzdem sehen wir es nicht gerne, wenn ausländische Arbeitskräfte vermeintlich unsere Jobs machen und Stellen wegnehmen oder unser Sozialsystem belasten.
Die Fremden in den Augen Gottes
Angst vor fremden Menschen und Neid begleiten uns Menschen schon seit jeher. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in der Bibel mehrfach etwas zu diesem Thema steht. Denn Gott weiss offenbar um unsere Ängste gegenüber fremden Menschen. Immer wieder macht er Mut, diese Ängste beiseite zu schieben und die Fremden nicht schlecht zu behandeln: «Unterdrückt die Fremden nicht, und beutet sie nicht aus! Denn ihr selbst seid einmal Fremde in Ägypten gewesen.» Er «argumentiert» dabei mit der Tatsache, dass sein Volk selber einmal in der Fremde gelebt hat und dort fremd war – und dort ja auch gut behandelt werden wollte.
Alle Welt erreichen
«Jesus sagte: ‹Gehet hin in alle Welt.› Heute aber ist alle Welt bei uns», sagt Jakob Wyler. Er sieht darin eine grosse Chance. Es leben Menschen aus allen Nationen bei uns, wir treffen sie in unserer Nachbarschaft und an unseren Arbeitsplätzen. «Dort können wir ihnen von der grossen Liebe Gottes erzählen, ohne als Missionare in fremde Länder zu reisen», sagt Wyler. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe für Ausländer in der FEG Wetzikon und organisiert mit seiner Kirche sogenannte «Internationale Abende». An diesen Anlässen sind Menschen aus unterschiedlichsten Nationen zusammen. Ein gemeinsames Essen, Live-Musik und viel Raum für Gespräche bieten Gelegenheit, sich besser kennenzulernen. Auch von Gott wird geredet. Er warnt aber davor, Fremde als Missionsobjekte zu betrachten: «Es braucht Begegnungen und Beziehungen. Der ‹Fremdling› merkt sehr schnell, ob ich ihn als Menschen oder nur als Objekt sehe.» Die Treffen mit Ausländern an den «Internationalen Abenden» legen oft den Grundstein für weitere Treffen. «Wenn ich mich für die Menschen interessiere und sie dann bei einer Begegnung im Ort mit Namen anspreche, löst das sehr viel Freude aus», sagt Wyler. So wächst Vertrauen zueinander – und die Angst vor «den Fremden» nimmt im gleichen Masse ab.
Bei der Umfrage sind sehr praktische und konkrete Ideen zusammengekommen, wie die Angst vor fremden Menschen abgebaut werden kann:
Fakten klären
Fakten relativieren und können die diffuse Angst vor Fremden kleiner machen. Z.B. ist es gut zu wissen, dass im Jahr 2015 fast 72 000 Menschen aus dem Ausland zugewandert sind. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies aber fast 10 Prozent weniger Personen, die in die Schweiz gekommen sind.Wissen aneignen
Wissen über andere Kulturen, Religionen etc. lässt diese nicht mehr so fremd und unverständlich erscheinen und es steigert das Verstehen des fremden Gegenübers. Warum also nicht einmal einen Hintergrundbericht über die Situation in Eritrea schauen oder einen Wikipedia-Eintrag zu «Hijab» oder «Sunniten» lesen?
Echtes Interesse zeigen
Nichts ist so wertschätzend und vertrauensfördernd für eine Beziehung wie echtes Interesse. Wer interessiert auf fremde Menschen zugeht, wird eher Offenheit und Vertrauen zurückbekommen als jemand, der eigentlich gar nichts über Fremde wissen will. Warum haben/machen/wollen fremde Menschen das so? Wieso gestalten fremde Menschen ihr Leben auf diese Art und nicht anders?
Nachfragen und sich erzählen lassen
Das Unbekannte wird sofort fassbarer, wenn jemand darüber erzählt. Einfach mal nachfragen: Wie sieht der Alltag der Fremden aus? Was kochen sie gerne? Welche träume haben sie? Was vermissen sie?
Das Gute suchen, Gemeinsamkeiten suchen
Durch Nachfragen und Austauschen kommen oft auch Gemeinsamkeiten zu Tage. Was man gemeinsam hat, verbindet – das «Fremde» nimmt ab. Und Unbekanntes hat oft auch gute Seiten. Wo man sich aufs Gute fokussiert, kann man das Schwierige besser einordnen.
Wissen, dass Gott die Fremden liebt
Gott liebt alle Menschen gleich. Dieses Bewusstsein hilf ja schon, um seine Nächsten so zu akzeptieren, wie sie sind. Aber dieses Wissen kann auch die Angst vor fremden Menschen relativieren: denn Gott kennt und liebt sie.
Beten
Gott kann in mir aber auch im Fremden etwas bewirken. Wir können Gott darum bitten im Gebet. Dutzendfach sagt Gott zu den Menschen: «Fürchte dich nicht!» Wenn es mir aus eigener Kraft nicht gelingt, mich vor Unbekanntem und fremden Menschen nicht zu fürchten, darf ich mir von Gott dabei helfen lassen.