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«… und wenn mein Vertrauen missbraucht wurde?»

Was bleibt zurück.
 
Publiziert: 11.02.2014

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Von Verena Birchler

Wir alle kennen es. Wir alle wurden schon mal enttäuscht. Das Vertrauen, das wir in Menschen gesetzt haben, wurde missbraucht. Zurück bleiben oft Enttäuschung, Mutlosigkeit und Resignation. Doch das muss nicht sein. Auch Jesus wurde enttäuscht. Von denen, die ihm am nächsten standen wie zum Beispiel Petrus, der Jesus drei Mal verleugnete. Drei Mal behauptete er, Jesus nicht zu kennen. Petrus musste mit diesem Versagen fertig werden und seine Geschichte mit Jesus «neu starten».

Wenn Menschen enttäuscht werden, hat dies immer zwei Seiten. Da ist zuerst die Perspektive der enttäuschten Person. Ich erinnere mich noch gut an einen Satz von Alt-Bundesrat Adolf Ogi. Als er sein Amt als Bundesrat antrat, sagte er zu seinem – ihm zum Teil noch unbekannten – Mitarbeiterstab: «Ich vertraue Ihnen solange, bis Sie mich enttäuschen.» Hinter diesem Satz stecken zwei Wahrheiten. Die eine ist: «Ich bringe grundsätzlich allen Menschen vorurteilsfrei Vertrauen entgegen.» Wer so denkt, ist zweifelsohne «positiv imprägniert». Im zweiten Teil sickert allerdings auch die Lebenserfahrung durch. Wie jeder Mensch hat auch Adolf Ogi seine Erfahrungen mit Menschen gemacht, die ihn enttäuscht haben. Und als Realist hat er diese Möglichkeit in den vor ihm – und seinem Team – liegenden Weg miteinbezogen.
Wir kennen aber auch Situationen, in denen wir andere Menschen enttäuscht, vielleicht sogar regelrecht ihr Vertrauen missbraucht haben. Wenn wir einigermassen normal sozialisiert sind, ist uns das nicht egal. Denn die Enttäuschten reagieren ja auch auf unser Versagen. Schauen wir einmal Petrus etwas genauer an.

Lukas erzählt im Neuen Testament vom Versagen von Petrus. 1 Kurz vor der Gefangennahme von Jesus hatte Petrus noch lauthals verkündet, dass er immer zu ihm stehen würde. Als er dann aber nach der Verhaftung von Jesus immer wieder auf diesen Mann angesprochen wurde, sagte Petrus am Feuer: «Mensch, ich weiss nicht, was du sagst. Ich kenne diesen Mann nicht.» Lukas fährt in seiner Erzählung fort: «Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Und Petrus dachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.» Jesus sah Petrus mitten ins Herz, er sah den Verrat seines Freundes und machte diesem bewusst, was er gerade getan hatte. Petrus war es nicht egal, dass er Jesus enttäuscht hatte. Es ging ihm so zu Herzen, dass er «bitterlich weinte». Für einen Haudegen wie Petrus war dies eine starke Gefühlsregung. Unter Enttäuschungen und Vertrauensmissbrauch leiden meistens beide Seiten. Und deshalb ist es auch wichtig, wie beide reagieren.

Jesus verrückte Optik
«Ich kenne Jesus nicht!» schleuderte Petrus den Menschen rund um das Lagerfeuer entgegen. Mit seinem ihm eigenen Temperament. Die Bibel erzählt weiter: «In diesem Augenblick wandte sich Jesus um und sah seinen Jünger an.» Der Blick von Jesus machte Petrus klar, wie widersprüchlich sein Verhalten im Vergleich zu dem war, was er noch vor kurzer Zeit versprochen hatte. Aber der Blick von Jesus war nicht vernichtend. Wir kennen das ja. Blicke können viele Emotionen auslösen. Daher kommt wahrscheinlich auch der bekannte Satz «Wenn Blicke töten könnten.» Aber hinter dem Blick von Jesus verbarg sich eine andere Motivation. Bestimmt war Jesus enttäuscht. Aber er entzog deshalb Petrus nicht seine Liebe, seine Zuwendung, seine Fürsorge. Jesus hatte und hat eine andere Optik. Weil Jesus uns auch immer mit dem Herz der Vergebung begegnet, können wir «neu starten». Wir müssen nicht beim Versagen bleiben. Petrus konnte durch dieses Versagen ehrlich bereuen und sein Leben mit neuen Erkenntnissen vorwärts gerichtet leben.

Enttäuschen – Vergeben – Vertrauen
Für «Enttäuschte» und «Enttäuscher» gibt es die exakt gleiche gute Möglichkeit, das Leben trotz der gemachten Erfahrungen wieder positiv weiter zu gestalten. Am Anfang steht die Vergebung. Damit meine ich nicht das oberflächliche «Isch scho wieder guet». Es geht vielmehr um das Hinschauen. Was führte zur Enttäuschung? Weshalb wurde mein Vertrauen missbraucht? Die Gründe dafür können so vielfältig sein, dass es vielleicht sogar richtig viel Arbeit braucht, um die korrekten Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Vielleicht konnte der oder die andere meinen Erwartungen gar nicht entsprechen. Vielleicht waren die eigenen Vorstellungen falsch oder überhöht.

Aus dieser Vergebung heraus können wir das Vertrauen wieder aufbauen und hoffen, dass die gemeinsamen Erwartungen ein nächstes Mal realistischer sind. Zu diesem erneuten Vertrauen gehört viel Offenheit, ehrliche Gespräche. Aber auch Selbstkritik und Humor. Mir fällt auf, dass viele Menschen unfähig sind, über sich selbst zu lachen. Diese Unfähigkeit verhindert einen offenen Umgang mit eigenen Schwächen.
Petrus fand einen Weg raus aus seiner Erschütterung. Der Blick, den Jesus ihm am Lagerfeuer schenkte, gab ihm später Hoffnung. Denn statt einer grossen Verurteilung spürte er Vergebung und erneutes Vertrauen. Dieses Vertrauen gab ihm die Kraft, einer der bedeutendsten Männer in Sachen «Verbreitung der Guten Nachricht» zu werden. Auch später gab es in seinem Leben wieder Enttäuschungen. Denken wir nur an seinen Konflikt mit Paulus. Dieser führte sogar zur Trennung. Die Bibel hat noch viele solcher Beispiele bereit. Sie alle zeigen uns drei wichtige Punkte:

  1. Es gibt kein konfliktfreies Leben. Wir werden immer wieder mal enttäuscht. Und wir selber enttäuschen andere.
  2. Die Enttäuschung ist nicht das Ende. Wer den Mut hat, genau hinzuschauen, zu vergeben und neu zu starten, wird stärker und kann sein Leben immer wieder neu gestalten.
  3. Solche Erfahrungen bringen uns näher zu Gott. Im Auf und Ab unserer Schicksale ist Gott der feste Wert, so wie es die Jahreslosung 2014 zum Ausdruck bringt: «Gott nahe zu sein ist mein Glück!» 2
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