Von Heidi Pauli
Walter Kohl, Sohn des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl, hat sich als Buchautor und Unternehmer etabliert. Der Weg zu diesem Erfolg war lange und schmerzhaft. Lange lebte er im sogenannten «Opferland», einem Ort der Einsamkeit und der Hoffnungslosigkeit. Um zu fliehen, geht er unter anderem nach Amerika. Doch seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Erst als er sich aktiv mit seiner Biografie aussöhnt, kann er seine Lebenskrise überwinden.
Wie fühlt sich ein Jugendlicher, der in der Schule wegen seines berühmten Vaters gemobbt, verprügelt und ausgegrenzt wird? Der ein Jahrzehnt unter einer extremen Terrorbelastung mit mehreren hundert Morddrohungen gegenüber seiner Familie lebt? Dessen Familienleben komplett den politischen Ambitionen seines Vaters untergeordnet wird? In einer Welt, in der nur der nächste Wahlsieg zählt, Gefühle aber keinen Platz haben und wo er nicht als Person, sondern zumeist nur als «Sohn vom Kohl» stattfindet? Trotz aller beruflichen Erfolge im Investmentbanking bei einer renommierten Bank in New York und als Manager in deutschen Grossunternehmen wird er immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt.
2001 bricht sein altes Leben zusammen. Der dreifache Schlag aus der CDU-Parteispendenaffäre des Vaters, die ihm jede berufliche Perspektive nimmt und fast sein ganzes soziales Umfeld kostet, dem Freitod seiner Mutter im Juli 2001 und dem Zerbrechen seiner ersten Ehe stürzen ihn in eine tiefe existenzielle Krise. Er ist nun selbst sehr suizidgefährdet. Am persönlichen Tiefpunkt angekommen erkennt er, dass seine bisherigen Reaktionsmuster in einer Krise – Flucht oder Kampf – die Dinge nur noch verschlimmern.
Für ihn, den bisherigen Faktenmenschen, wird Schreiben zur Therapie. Er veröffentlicht 2011 den Bestseller «Leben oder gelebt werden, Schritte auf dem Weg zur Versöhnung». Er lernt, dass nur ein neuer Frieden, eine einseitige Versöhnung mit seiner Biografie die Chance zu einem persönlichen Neuanfang bietet. Dabei dokumentiert er Versöhnung als Friedensvertrag mit sich selber und auch mit anderen. Er inspiriert Menschen in Führungsseminaren, mit Hilfe von «Briefen an sich selbst» und Friedensverträgen neue Antworten auf alte Belastungen zu finden und somit zu neuer Lebensfreude zu finden. Was unterscheidet den «Walter 2.0», wie sich Walter Kohl nach Bewältigung seiner Krise gerne bezeichnet, vom ursprünglichen, fremdbestimmten Walter, der mit seinem schwierigen Familienerbe zurechtkommen musste? Vor allem neue Lebensfreude und viel Sinn in seiner Arbeit.
Walter Kohl führt heute als Unternehmer zusammen mit seiner Frau einen deutschkoreanischen Zulieferer in der Autoindustrie. Ebenso hat er ein «Zentrum für eigene Lebensgestaltung» gegründet, arbeitet als Coach und ist gefragter Referent und Buchautor. Er ist überzeugt, dass sich (einseitige) Versöhnung wie eine Fremdsprache erlernen lässt und somit zu einem starken Instrument selbstbestimmter und positiver
Lebensgestaltung wird. Im Ergebnis entsteht Frieden und «Wo innerer Frieden herrscht, hat Krieg keine Chance» – davon ist Walter Kohl überzeugt.